Montag, 20. Dezember 2010

Widerwille

Die Begriffe Türschwelle und Hemmschwelle meinten in diesem Moment dasselbe. Das Überschreiten wurde ihm durch die elektronische Tür, die sich automatisch mit einem Summen öffnete, leicht gemacht, allerdings fühlte er in gewissen Teilen seines Körpers einen Widerwillen, ein Protest.
Es war schon eine Weile her, dass zum letzten Mal ein Fast Food Restaurant besucht hatte. Als Jugendlicher, also vor ein paar Jahren, da war die McDonald’s Filiale am Stadtrand zum allgemeinen Treffpunkt geworden. Nach dem Kino, vor der Disko oder im Laufe eines Abends mit Freunden war ein Besuch nahezu obligatorisch. Damals hatte er sich keine Gedanken über die Qualität des Essens, über die Herkunft der Zutaten, über die Verarbeitung und vor allem über den Geschmack des Endproduktes gemacht. Damals - das war bevor er sich die Lebensmittelvergiftung einhandelte. Niemand kannte die Gründe, die Ärzte konnten nur spekulieren, aber schon als er zwei Tage regungslos im Bett lag und sich nur zum Kotzen ins Bad zwang war ihm klar, dass sein Zustand etwas mit dem Essen aus dem Fast Food Restaurant zu tun haben musste.
Und jetzt war er wieder hier. Zwar 9000 km von seiner Heimatstadt, aber trotzdem dieselbe Kette, dasselbe Angebot und dieselben Gerüche.
Warum eigentlich? War es Geiz, war es Angst vor weiteren kulinarischen Reinfällen, die er in den letzten Tagen in der fremden Stadt erlebt hatte oder war es einfach nur ein Ausdruck von Heimweh? War er ein Gefangener der Globalisierung, der sich in der Fremde nach Bekanntem sehnte, nach etwas, dass ihm vertraut erscheint.
Er war zu hungrig, um weiter darüber nachzudenken. Anstellen, bestellen, Tablett abstellen und essen.
Nach vier Minuten war alles vorbei.